Wie Sie Ihr Rückfallmanagement verbessern.

5.Februar 2021

Die größte Herausforderung bei der Veränderung von gewohntem, wenn auch nicht gewünschtem, Verhalten ist die Vermeidung von Rückfällen. Der Volksmund spricht da von dem inneren Schweinehund, der verhindert, dass wir Neues lernen und gegen alte Muster austauschen.

Als Coach mache ich immer wieder die Erfahrung, dass ein von dem Coachee erreichtes Ergebnis und die glaubwürdig geäußerte Absicht zur Umsetzung oft nicht ausreichen, diese neuen Erkenntnisse auch in den Alltag nachhaltig zu integrieren. Immer wieder wird statt dem neuen das unerwünschte Verhalten eingesetzt. Ich setze hier oft mit Erfolg das Rückfallmanagement von Gordon Marlatt ein, das er ursprünglich für die Suchttherapie entwickelt hatte. Inzwischen ist diese Methode anerkannter Bestandteil des Zürcher Ressourcenmodells (ZRM, Maja Storch und Frank Krause) und hat eine neue Bearbeitung im Kontext Business-Training und-Coaching durch Prof. Axel Kochs Transferstärkemodell erfahren. Mit dessen Rückfallplan arbeite ich immer wieder gerne. Er dient mir sogar oft als Kern einer Veränderungsstrategie im Businessalltag.

Anstatt den Klienten die Situation beschreiben zu lassen, legt er die einzelnen Stationen zu dem unerwünschten Verhalten mit Bodenankern. Das können einfache DIN A4- Blätter, Moderationskarten oder andere genügend große Notizzettel sein. Später lasse ich ihn diese mit dem neuen Verhalten bzw. Wordings abgehen. Damit kommt er in Bewegung, kann sich mit der Situation nicht nur visuell, sondern auch besser körperlich adaptieren. Entsprechend der Redewendung, dass wir eine unangenehme Situation „auf uns zukommen sehen“, geht bei dieser Methode der Coachee auf die Situation zu, übt sein gelerntes Verhalten praxisnah und kann so angemessener in der realen Situation handeln.

Grundlage dieses wirksamen Veränderungstools ist die Erkenntnis, dass unangemessenes, ja sogar oft destruktive Verhalten sozusagen „seine Schatten voraus wirft“. Gleichsam wie bei einem Erdbeben, das sich ja auch durch spürbare Vorboten ankündigt, lassen sich für unsere geplanten Handlungen auch gedankliche, emotional und körperlich spürbare Vorzeichen feststellen. Die laufen normalerweise unbewusst ab oder werden von uns bzw. unseren inneren Antreibern gerne verdrängt. In meinen Coachings von für diese Situationen passende Rückfall-Strategien geht es vor allem darum, diese Vorboten konkret zu identifizieren und für jeden dieser inneren Signale gemeinsam mit den Klienten einen Notfallplan zu schmieden.

Ich möchte dieses Vorgehen gerne anhand eines Beispiels veranschaulichen. Marion (Name geändert) berät im Außendienst Ärzte und Apotheken über Nahrungsergänzungsmittel. eines Sie kommt mit folgendem Anliegen:

„Immer wenn ich merke, der Kunde hat keine Zeit mehr, werde ich hektisch. Ich spreche dann schneller und versuche, alle Vorteile und Nutzenargumente in der verbleibenden Zeit zu kommunizieren. Gleichzeitig merke ich, dass das nicht zum Ziel führt und der Kunde eher verwirrt reagiert. Das verunsichert mich zusätzlich. Meistens bin ich dann froh, wenn das Gespräch schnell endet und ich wieder gehen kann. Erreicht habe ich meistens damit gar nichts.“

Nachdem wir im Coaching an den üblichen Verdächtigen Antreiber, eigene Anteile und passende Ressourcen etc. gearbeitet haben, formuliert Marion ihr neues Verhaltens-Lernziel. Ihre Lösungsphysiologie ist stimmig. Sie ist guter Dinge, befürchtet allerdings, dass sie in der realen Situation wieder in die alte Hektik verfällt.
   Nun geht es an die Erarbeitung des Rückfallplans. Zu diesem Zeitpunkt führe ich die Timeline ein und erkläre die Bedeutung von inneren und äußeren Vorboten. Ich bitte sie, im Raum gedanklich Punkte für Vergangenheit und Zukunft zu markieren. Dann fordere ich sie auf: „Stellen Sie sich am Ende dieser gedachten Linie die beschriebene Situation vor, in der die innere Hektik Sie ergreift. Nun gehen Sie bitte in Ihrem Tempo auf diese Situation in der Arztpraxis zu. Wo starten Sie in diese Situation? Spüren Sie in sich hinein: Was passiert als erstes, wenn Sie diese Situation vor Augen haben? Zu welcher Zeit meldet sich ein erster Vorbote? Etc.“ Marion bleibt auf ihrer Timeline stehen und sagt:“ Im Grunde fängt das schon morgens an. Wenn ich mir vorstelle, dass ich zu einem Kunden muss, der meistens keine Zeit für meinen Besuch hat.“ So entdeckt sie einen ersten wichtigen Vorboten für ihr bisheriges Verhalten. Manchmal kann es auch sein, dass der Coachee plötzlich merkt, dass er an diese Situation schon am Vorabend oder beim Betrachten des Wochenplans denkt. Auch ein sehr früher Vorbote beeinflusst unsere Handlungsstrategien durch begleitende Emotionen. Diese allerersten Vorboten gilt es zu kennen, um neue Handlungsmuster erfolgreich zu etablieren, ohne dass diese durch unbeachtete „Vorläufer-Gedanken“ torpediert werden. Ich frage Marion, wie sie sich bei diesem Gedanken „ich muss zu diesem Kunden mit wenig Zeit“ fühlt. Dabei gehe ich die VAKOG- Sinnespalette ganz oder teilweise durch. Sie spürt eine gewisse Enge im Brustbereich und sieht die Szene mit dem Kunden im Zeitraffer ablaufen. Auf diese Weise identifizieren wir drei wichtige Vorboten. Nach dem morgendlichen Szenario fallen Marion noch die Vorboten nach dem Verlassen des Autos (Ich steige aus und denke mit komischen Gefühl an das, was mich erwartet“ und in der Arztpraxis („Vor dem Gespräch werde ich unruhig. Ich nehme dann an, das der Arzt wieder keine Zeit hat“). Diese Vorboten sind Konditionierungen und führen zu dem unerwünschten Verhalten. Marion notiert sie in einem Rückfallplan.  
Jetzt vereinbaren wir für jeden Vorboten ein für die Wirksamkeit des Rückfallplans essentielles Stopp-Signal. Das kann ein innerlicher „STOPP“-Ruf, ein nerviges Geräusch oder ein entsprechendes Bild sein. Ich selbst benutze z.B. ein auf mich zufliegendes STOPP-Verkehrsschild. Marion entscheidet sich für einen inneren „Halt“-Schrei.
Nun benötigt sie für jeden ihrer drei Verhaltens-Vorboten einen Notfallplan. Ich frage sie zum ersten Vorboten in Form der „Tages-Vorbereitung „Was können Sie tun, um sich besser zu fühlen? Welche Ressourcen können Sie nutzen, um in eine optimalere Stimmung zu kommen. Welche Stärken haben Sie schon in ähnlichen Situationen erfolgreich genutzt?“ Marion erinnert ein Ereignis, bei dem sie unter Zeitdruck stand und zweimal ganz tief ein-und ausgeatmet hat. Sie trägt diesen „Moment Of Excellence“ in ihren Notfallplan für alle Vorboten ein. Gleichzeitig verbinden wir damit einen Ausstieg aus dem Zeitrafferbild. Sie stellt sich die gleiche Szene in Zeitlupe vor und spürt eine tiefe innere Beruhigung in Brust-und Magengegend. Diesen visuellen und kinästhetischen Anker notiert sie ebenfalls unter dem ersten und zweiten Vorboten. Für den dritten finden ebenfalls noch eine entlastende Visualisierung (siehe unten).

Jetzt wird es spannend: Ausgestattet mit diesen Notfallplänen und dem Stopp-Signal schicke ich Marion auf die Timeline. Die Vorboten hat sie auf Karten notiert und in einem ihr passenden Abstand in Richtung Ziel (ruhiges Arztgespräch) auf die Timeline gelegt. Ihr Ziel vor Augen geht Marion los. Beim „Betreten“ des ersten Vorboten lasse ich sie laut „HALT“ schreien (weil ich die Wirkung so besser ablesen kann). Dann führt Marion ihren hierfür geeigneten Notfallplan aus: zweimal ein-.und ausatmen—Zeitlupen-Szene) und beobachte ihre Reaktion darauf. Sie wirkt entspannter als beim Problem-Durchgang. Auch beim zweiten Vorboten kann sie sich auf die stärkende Wirkung ihres Notfallplans verlassen. Der nächste Schritt fällt ihr leicht. Auf dem dritten Vorboten stehend sagt sie “Ich stelle mir jetzt vor, dass ich dem Kunden mit großer Leidenschaft mein Highlight präsentiere und das es sich für ihn lohnt, zwei Minuten zu investieren.“ Sie strahlt dabei. Ich lasse sie das noch einmal in wörtlicher Rede wie in einem realen Gespräch wiederholen. Das klingt plötzlich sehr stimmig. Natürlich führt sie diese Schritte auf dieser Timeline noch zögerlich aus. Ich lasse sie diesen Gang einige Male wiederholen und gebe ihr die Bodenanker als Anker und zum weiteren Trainieren mit nachhause.

Diese Methode des Rückfallplans ist eine effektive Methode, den Coachees wieder eine Kontrollerfahrung zu vermitteln, ein Gefühl, selbst etwas aktiv an einem unerwünschten Situationsverlauf verändern zu können.

Noch Fragen? Schreiben Sie mir und holen Sie sich Tipps zu dem Vorgehen.

Holen Sie sich Ihren Rückfall-Plan als PDF zum Ausfüllen oder Ausdrucken:  Matrix Rückfallmanagement 

* Erich Kästner

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