19. November 2020

New Work- agiles Arbeiten-Arbeit 4.0

Diese Schlagwörter geistern seit einigen Jahren –und jetzt Corona-ausgelöst verstärkt- durch alle einschlägigen Gazetten und Foren. Und auch in den Hirnen von Unternehmenslenkern, Personalern und Führungskräften. Jeder möchte modern und zeitgemäß auf dieser agilen Welle mitschwimmen, dem Markt und der unsicheren VUKA-Welt mit den daraus erwachsenden Ansprüchen gewachsen sein. Teamleiter werden dabei aufgefordert, ihre Teams agil und virtuell zu führen, digitale Meetings zu etablieren und mehr als Moderator denn als Leiter zu fungieren. Dabei werden ganz agil u.a. Kanban-Boards aufgestellt, Methoden der eigenverantwortlichen Zusammenarbeit und partizipierende Entscheidungsprozesse eingeführt und Design Thinking als Non-Plus-Ultra für innovative Kundenbetreuung auserkoren. Und dann…funktioniert‘s nicht! Jedenfalls nicht so, wie man (anager) es sich vorgestellt hat. Schnell ist der Grund erkannt: „die Leute sind nicht bereit.“ und „ Bei uns geht das nicht“.

 Haltung kommt VOR Verhalten

Woran liegt das? Wie zum wirksamen Führen Menschen gehören, die sich führen lassen, braucht agile Zusammenarbeit die Bereitschaft aller Beteiligten, diese auch umzusetzen. New Work, das bestätigen auch alle bisherigen Erfahrungen, lässt sich nicht verordnen. Neben dem Können und Dürfen gehört eben auch das Wollen. Auch wenn laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom 92% der Mitarbeitenden dem gegenüber aufgeschlossen sind, zeigt sich wieder: Wunschdenken ist nicht gleich Handeln. Und daher: Haltung kommt vor Verhalten.

Wieso tun sich die Menschen in Unternehmen so schwer, Konzepte umzusetzen, welche die Kompetenzen, Selbstständigkeit, Kreativität, Kooperation und Eigenverantwortung wertschätzen? Man sollte doch meinen, dass die auch in diesem Zusammenhang immer wieder geforderten grundlegenden Bedürfnisse der Beteiligten nach psychologischer Sicherheit durch diese Kriterien erfüllt werden. Oder nicht? Und hier liegt für mich der Pferdefuß!

Psychologische Sicherheit als Voraussetzung

Psychologische Sicherheit entsteht im Prinzip, wenn die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Individualität erfüllt werden. Im Idealfall passiert das, wenn Menschen sich in einem Team bzw. von Ihrer Führungskraft

  • zum einen derart mit ihrer Persönlichkeit, ihren Kompetenzen und Fähigkeiten wertgeschätzt fühlen,
  • dass sie auf dieser sicheren sozial so wichtigen Basis und im Rahmen ihrer Fähigkeiten eigene Ideen verwirklichen, Spielräume im Sinne des Arbeitszieles nutzen, neue Wege gehen und auch Fehler machen dürfen,

New Work erfordert New Mind

Schöne neue Welt, oder? New Work eben. Ich schreibe ja auch vom Idealfall. Allerdings auch auf dem Weg dahin ist es notwendig, dass diese Grundbedürfnisse spürbar berücksichtigt werden. Den Check dazu macht man am besten mit der dem Abgleich der auch sonst für effektives Arbeiten wichtigen Trias von Können, Dürfen und Wollen. Denn erst wenn die New Worker dies auch können, dürfen und auch wollen, dann haben New Work- Elemente gute Chancen, erfolgreich umgesetzt zu werden.  

KÖNNEN die Fach-und Führungskräfte New Work?

Status Quo:

Die Führungskräfte und Mitarbeitenden sind in herkömmlichen hierarchie- und arbeitsteiligen Unternehmensstrukturen sozialisiert worden. Das bedeutet, dass bisher die für die Ausführung der jeweiligen Aufgaben notwendigen fachlichen Kompetenzen im Vordergrund des Könnens stehen. Eine erforderliche Methodenkompetenz bezieht sich eher auf diesen Bereich, weniger auf die Art der Zusammenarbeit. Abläufe und Vorgehensweisen werden prinzipiell vorgegeben. Die Führungskraft steuert im Team dominant Entscheidungsprozesse, das Team reagierte stark ritualisiert mit untergebener Zustimmung oder zaghaften Änderungsvorschlägen. Abweichende Vorschläge werden sehr oft ignoriert, abgelehnt oder zumindest marginalisiert und wenig wertgeschätzt.

New Work Check KÖNNEN

Folgende Fragen können helfen, die Bedürfnisse im Bereich des New-Work-Könnens zu erforschen:

  • Ist sichergestellt, dass die Beteiligten die neuen Prozesse, Methoden und Zuständigkeiten eindeutig verstanden haben?
  • Bringen Sie die Kompetenzen, Eigenschaften und Fähigkeiten mit, die für die neue Art zu arbeiten notwendig sind? Haben Sie z.B. schon erfolgreich eigenständig gearbeitet. Welche Stärken sind dabei erkennbar und können entwickelt werden?
  • Wer kann was dazulernen. Gibt es dazu eindeutige Entwicklungspläne?
  • Wer benötigt von wem wie oft Feedback?
  • Wer welche Unterstützung?

DÜRFEN die beteiligten Fach-und Führungskräfte New-Work?

Status Quo

Da Mitarbeitende bisher eher transformal, d.h. also eher weisungsorientiert, geführt werden, empfinden sie eigenverantwortliches Arbeiten ohne mehr oder weniger ausgeprägte Rückversicherung als neu. Selbstverantwortung ist mit Angst und Unsicherheit vor Versagen, Fehlern und entsprechenden Vorwürfen und Rechtfertigungsdruck verbunden. Diese tradierte Haltung seitens der Mitarbeitenden führt dazu, dass sie zwar einerseits Eigenständigkeit und Spielräume fordern und dann, wenn „es zum Schwur“ kommt, diese eher ablehnen. Selbstverantwortung bedeutet auch Verantwortung für das Ergebnis, eben auch, wenn es nicht erreicht wird. Das tut weh! Bisher konnte man diese Entwicklung dem Chef („Der wollte das ja so!“) zuordnen. Nun stehen die Zuständigen selbst für ihre Arbeit gerade. Bisher konnte man sich zumindest informell wehren („Hab ich ja gleich gesagt…!“), jetzt ist das Ergebnis ein Produkt ganz allein der eigenen Ideen. Es gibt keine Tür mehr, durch die man schlüpfen kann. Hier muss ein ganz neues Vertrauen geschaffen werden, welches ein ebenso neues Selbstvertrauen voraussetzt.

New Work Check DÜRFEN:

Mit den Antworten auf folgende Fragen kann man den Prozess zu einem neuen Mindset gestalten, die den Beteiligten ein deutliches und angstfreies Signal zum New-Work-Dürfen geben:

  • Ist der Spielraum für die Arbeit klar? In welchem Rahmen kann was genau eigenständig bearbeitet werden?
  • Sind Umfang und Grenzen der Kompetenzen und Zuständigkeiten für den Prozess klar geregelt?
  • Welche Rollen spielt wer genau? Wann ist die Führungskraft, wann zu was Kollegen einzubeziehen?
  • Sind Toleranzen bzw. Ergebnis-Korridore klar abgesteckt? Was passiert genau, wenn konkrete Fehler auftreten? Wie ist dann der genaue Kommunikationsweg? Wer trägt welche möglichen Konsequenzen?
  • Wer steht für konkrete Fälle für welche Unterstützung zur Verfügung?

WOLLEN die Fach-und Führungskräfte New Work? – Eine entscheidende Frage für ein neues Verständnis.

Satus Quo

Wenn vielleicht die anderen beiden Wirkfaktoren bisher hin und wieder in der Praxis reflektiert wurden, so vernachlässigen die Beteiligten das Wollen der neuen New Worker. Aus vielen Studien zur Arbeitszufriedenheit und deren Auswirkungen auf den ROI (u.a. des Gallup-Institutes) wissen wir, dass Menschen umso engagierter und effizienter arbeiten, je mehr sie den Sinn ihrer Aufgaben nachvollziehen und akzeptieren können. Arbeitsziele z.B. werden statistisch aus diesem Grund nur zu ca. 40% erreicht. Das gilt vor allem auch bei anstehenden bzw. bei bereits eingeleiteten Veränderungen im Arbeitsprozess. Jede Veränderung der bestehenden Gewohnheiten erzeugt erst einmal mehr oder weniger starke Gefühle der Angst, Unsicherheit und Inkompetenz. Die psychologische Sicherheit ist in Gefahr. Die Vorteile und Entlastungen liegen bei den New Work-Einführungen nicht für jeden auf der Hand. Auch wenn es in euphorischen Worten beschrieben wird, es bleibt bei vielen das gute Gefühl oft aus. Die Angst und Unsicherheit überwiegt, gewohnte Rollen und Prozesse, und vor allem die eigne Komfortzone zu verlassen. Frei nach Goethe: „ Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Das ist die Erklärung dafür, dass auch gut gemeinte Erlasse zur Einführung von New Work ihre Wirkung verfehlen können und es auch sehr oft tun.

New Work Check WOLLEN

  • Ist das Ziel, der Sinn und Zweck der neuen New Work-Elemente klar?
  • Welche konkreten Vorteile werden gesehen? Welche praktischen Vorschläge gibt es dazu?
  • Welche konkreten Nachteile werden befürchtet? Wie können sie bewältigt werden? Welche Ideen zu einer Modifikation der umstrittenen New Work- Elemente gibt es, um sie sinnvoller und praktikabler zu gestalten?
  • Welche Ängste sind noch vorhanden? Wie gehen wir damit um?
  • Welche Wünsche zur Unterstützung und Klärung sind noch offen, welche, Infos werden noch benötigt?

Die Schnittmenge macht’s

Umso größer die Schnittmenge dieser Parameter Können-Dürfen-Wollen bei einem Beteiligten ist, je erfolgreicher wird New Work von diesem umgesetzt. Das gleiche gilt natürlich auch für ein Team. Dabei beeinflussen sich die drei Wirkfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung gegenseitig.

Das alles kostet des beteiligten Führungskräften und Mitarbeitenden Zeit und Energie. Gleichzeitig werden später Kraft und Zeit, um Missverständnisse und Enttäuschungen zu bearbeiten, Kämpfe um „richtige“ Positionen zu führen und Früher-war-alles-besser-Debatten eingespart.

New Work gelingt nur im Konsens

Dieser Abgleich zur Akzeptanz des New Work hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn die Strukturen top-down dafür geschaffen sind, Rückendeckung zu allen Aspekten vom Management gewährleistet ist und relevante Schnittstellen informiert und involviert sind. Idealerweise beginnt man mit dem dargestellten Effizienz-Abgleich bei der Geschäftsleitung und involviert alle relevanten Bereiche bei der Ausgestaltung des New Work-Konzeptes. Um die Widerstände und zu erwartende Missverständnisse zunächst möglichst gering zu halten, kann ein Pilotprojekt mit ein bis zwei ausgewählten Teams gestartet werden, dessen Ergebnisse Basis für ein unternehmensweites Ausweiten von New Work sein können.

Wenn Sie mehr zum Mindset im New Work wissen möchten, schreiben Sie mir hier.

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